Freitag, 25. Juli 2025

Sizilien auf dem Südbalkon: Parmigiana di melanzane (vegetarisch)


Parmigiana aus der Küche des Genießers

Ich werde ja immer etwas wehmütig, wenn ich an das „Café Bistro Mara“ denke, jenes hübsche Ristorante, das vor drei Jahren versuchte, in der Hattinger Altstadt authentische sizilianische Küche an den Gast zu bringen (klick hier). Gerade ein dreiviertel Jahr konnten die Betreiber mit ihrem anspruchsvollen Konzept durchhalten.

Umso erfreuter war ich, als mir die Kolleginnen von „Ruhrpott erleben“ das neue italienische Restaurant „Binario 081“ empfahlen, das im Frühjahr im alten Bahnhof Hattingen eröffnet hatte. Seit die „Fabbrica Italiana“ in dem historischen Prachtbau ihre Pforten schloss, war die Location eine Art Wanderpokal. So versuchte Sabri Aslan vom „Las Olas“ vergeblich dort Fuß zu fassen, dann gab es da ein italienisches Restaurant mit dem schönen Namen „Bella Bella Mozzarella“, dessen Betreiber Carmelo Bramanti es aber nach Essen-Rüttenscheid zog. Jetzt aber, so schwärmten Silke und Isabella, würde dort Ciro Guerriero tolle süditalienische Küche anbieten.

Der alte Bahnhof in Hattingen

So kam ich vorletzten Sonntag nach einem meiner sommerlichen Spaziergänge in der Ruhrschleife von Hattingen-Winz-Baak spontan auf die Idee, im „Binario 081“ einzukehren und wurde nicht enttäuscht. Auf dem zur Restaurantterrasse umfunktionierten Bahnsteig wurde mir eine Parmigiana di melanzane serviert, wie ich sie das letzte Mal bei unserem sizilianischen Menü im Dortmunder „Belvedere“ bekommen hatte (klick hier). Der köstliche Auflauf war Soulfood vom feinsten, genauso wie das Tiramisu, das ich mir als Nachtisch gönnte und das aus einer großen irdenen Schüssel mit einem großen Vorlegelöffel am Tisch aufgetragen wurde. Was mich allerdings wunderte war, dass das Lokal an diesem wunderschönen Sonntagnachmittag so gut wie gar nicht besucht war. Sollte das „Binario 081“ etwa das gleiche Schicksal erleiden wie das „Café Bistro Mara“?


Parmigiana im „Binario 081"


Tiramisu auf dem Bahnsteig


Später kam ich auf die Idee, meinen spontanen Besuch anders als zuerst geplant doch noch zu einem Blog-Beitrag zu verarbeiten. Deswegen fuhr ich noch einmal hin, um weitere Fotos zu machen. Da entdeckte ich an Tür einen Zettel mit der Nachricht, dass das Restaurant wegen technischer Probleme vorübergehend geschlossen sei. Aber nach deren Behebung solle es weitergehen, gab man sich optimistisch – nun ja, hoffen wir das Beste.

Der Zettel an der Tür

Die Parmigiana di melanzane ging mir aber nicht aus dem Sinn, und so beschloss ich, sie auf meinem Balkon einfach nachzubauen. Dazu suchte ich nach einem Rezept und wurde in dem italienischen Blog „Il cucchiaio d'argento“ fündig (klick hier). Parmigiana di melanzane ist ein besonders auf Sizilien und um Neapel verbreiteter Vorspeisen-Auflauf mit Auberginen, anderswo in Italien wird er auch mit anderen Gemüsen wie etwa Zucchini zubereitet. Die Zubereitung ist denkbar einfach: gebratene Auberginenscheiben werden mit einer Sauce aus passierten Tomaten mit Mozzarella und Parmesan im Ofen überbacken. Allerdings dauert die ganze Sache etwas, denn die Auberginen müssen vorbereitet werden. Obwohl es bei den modernen Sorten, die man heute im Supermarkt bekommt, nicht mehr notwendig ist, den Früchten die Bitterstoffe zu entziehen, empfiehlt es sich, sie für die Parmigiana einzusalzen und über eine Stunde lang zu entwässern. Denn durch den Wasserentzug lassen sie sich besser braten und haben dann ein konzentrierteres Aroma, was durch das Salz noch verstärkt wird. Während der Entwässerungszeit hat man aber genügend Muße, die Tomatensauce zuzubereiten, die ganz puristisch nur mit Zwiebeln, einem Minimum an Knoblauch und Basilikum gewürzt wird. Das Ergebnis ist unschlagbar.

Die Zutaten für den Nachbau


Der Wein dazu


Zum Überbacken hatte ich mir Fior di Latte besorgt, jene Mozzarella-Spezialität aus Kuhmilch, die ursprünglich aus den Bergen über der Amalfi-Küste stammt; für die Tomatensauce verwendete ich rote Zwiebeln aus dem Biomarkt, von denen ich mir einbildete, sie seien welche aus Tropea in der Basilicata. Und getrunken wurde zur Parmigiana natürlich ein roter Süditaliener, ein Salice Salentino aus dem Stiefelabsatz.

Es gibt übrigens auch eine süße Dessert-Variante der Parmigiana. Da werden die gebratenen Auberginenscheiben mit Schokoladensauce kombiniert und sind eine Traditionsessen für den sommerlichen Feiertag Ferragosto. Das Rezept dafür findet ihr hier.

Gebratene Auberginenscheiben

Tomatensauce

In der Auflaufform

Mit Mozzarella und Parmesan überbacken

Das Vorbild im Binario 081"

Der Nachbau auf dem hemischen Balkon

Rezept: Parmigiana di melanzane (vegetarisch)
2-3 Vorspeisenportionen

2 mittelgroße Auberginen
300 ml Passata (passierte Tomaten)
150 g Mozzarella
2 kleine Zwiebeln
100 g geriebener Parmesan
1 Knoblauchzehe
1 Zweig Basilikum
Öl zum Braten
Natives Olivenöl extra
Salz
Pfeffer
Zucker
Mehl

Auberginen putzen und längs in 50 Millimeter dicke Scheiben schneiden. In eine Seihe schichten und jede Schicht mit Salz bestreuen. Mit einem flachen Teller bedecken und mit einem Gewicht (kleiner Topf) beschweren. Eine Stunde ziehen lassen. Das ausgetretene Wasser wegschütten. Die Auberginen mit Küchenkrepp abtrocknen und dabei noch vorhandenes Salz abwischen.
Zwiebel fein würfeln. Knoblauchzehe schälen. Basilikumblätter vom Zweig zupfen. Olivenöl in einer Pfanne erhitzen und darin Zwiebelwürfel und Knoblauchzehe weich dünsten. Mit Passata auffüllen, Basilikumblätter und den Zweig hinzugeben. Pfeffern und wenig salzen. (Die entwässerten Auberginen bringen genug Salz ans Gericht). Alles zwanzig Minuten köcheln lassen. Dann den Basilikumzweig und evtl. die Knoblauchzehe herausfischen.
Die abgetropften und abgetrockneten Auberginenscheiben in Mehl wälzen. Überschüssiges Mehl abklopfen. In einer zweiten Pfanne eine genügende Menge Öl erhitzen und die mehlierten Auberginenscheiben nach und nach bei mittlerer Hitze goldgelb braten. Zwischendurch ggf. verbranntes Mehl aus der Pfanne wischen und Öl nachgießen. Fertig gebratene Auberginenscheiben auf Küchenkrepp abtropfen lassen.
Eine Auflaufform dünn mit Tomatensauce ausstreichen und eine Lage Auberginenscheiben einschichten. Darauf wieder Tomatensauce geben, dann wieder Auberginenscheiben, bis die Scheiben alle sind. Zum Schluss den Rest Tomatensauce darauf verteilen.
Alles mit geriebenem Parmesan bestreuen und den in Scheiben geschnittenen Mozzarella darauflegen.
Im vorgeheizten Backofen bei 180 Grad 30 Minuten backen. Wenn der Mozarrella geschmolzen und leicht gebräunt ist, die Parmigiana aus dem Ofen holen. Auf Zimmertemperatur abkühlen lassen.


Ähnliche Rezepte:
Melanzana alla cioccolata bzw. Auberginen in Schokoladensauce (vegetarisch) klick hier
Mit Mozzarella überbackener Fenchel (vegetarisch) klick hier
Lasagne mit Wildbrät-Ragù und Gorgonzola-Béchamel klick hier

Samstag, 19. Juli 2025

Gourmetmeilen 2025: Kulinarischer Treff an der Ruhr in Mülheim



Sehnsucht nach besseren Tagen

Eigentlich versprach der kurze Trip am gestrigen Freitag zum „Kulinarischen Treff an der Ruhr“ in Mülheim so zauberhaft zu werden wie eh und je. Es war herrlichstes Sommerwetter, die hohen Bäume der innenstadtnahen Parkanlage am Flussufer säuselten im Wind und warfen kühlenden Schatten – und hätte es geregnet, hätten die großen weißen Zelte mit ihren Biergartengarnituren genügend Platz im Trockenen geboten. Dazu noch die coole Live-Musik von einer kleinen Bühne, alles Voraussetzungen für ein wunderbares Gourmetmeilen-Feeling. Und trotzdem konnten mein Slow-Food-Kollege Jochen und ich die Sehnsucht nach den besseren Tagen der Mülheimer Gourmetmeile nicht unterdrücken.

Neben dem Getränkestand von Bellenbaum und der „Bar in Motion“ aus Herne mit ihrem Cocktailangebot waren gerade einmal sieben Restaurants vertreten, und davon kamen nur drei – das Walkmühlen-Restaurant, das Spices 1822 und das Café Leonardo - aus Mülheim. Den Hauptteil bestritten bewährte Gourmetmeilenveteranen aus anderen Städten: Gummersbach aus Essen-Borbeck, die Alte Metzgerei und das Bliss aus Essen-Rüttenscheid und La Turka aus Düsseldorf. Das war eigentlich kein Manko, denn bei allen handelt es sich um hervorragende Betriebe, die es schaffen können, unter dem Motto „Klein aber fein“ eine großartige kulinarische Veranstaltung auf die Beine zu stellen.


Heitere Stimmung in den Ruhranlagen


Doch was weit mehr irritierte, war der Blick in die durchaus glücklichen Gesichter der zahlreichen Gäste, die sich aus der langen Warteschlange am Stand der Alten Metzgerei lösten, um die ergatterte Beute zu einem Sitzplatz zu jonglieren. Dabei handelte es sich fast ausschließlich um Currywurst mit Pommes. Auch wenn es sich dabei um das legendäre Kultprodukt von Dönninghaus aus dem Bochumer Bermudadreieck handelte – gehen die Leute heutzutage wirklich auf eine Gourmetmeile, um eine Currywurst zu essen? Ein Gericht, das man letztendlich in jedem Freibad und an jeder Tankstelle bekommt? Wie reizvoll war es war es doch früher, sogar aus dem fernen Bochum zum Kulinarischen Treff anzureisen. Da hobelte z.B. Renato die Trüffel dick über die Spaghetti, man bekam bei der Mausefalle die exklusiven Weinbergschnecken aus Moers, die Schlossküche von Hugenpoet steckte edle Artischocken in Strudel- oder Nudelteig und Möllecken's Altes Zollhaus kredenzte Gänselebermousse – die Spitzenrestaurants der Region gaben ihr bestes. Doch das, was eine Gourmetmeile zur Gourmetmeile macht (und diese Art von Veranstaltung von Streetfood-Märkten unterscheidet), scheinen immer weniger Leute zu schätzen, wie wir auch schon auf den Gourmetmeilen anderswo bemerkten. 



Der Cocktail-Wagen

Doch die beschwingte Atmosphäre des „Kulinarischen Treffs an der Ruhr“ sorgte dafür, dass wir unsere gute Laune nicht verloren und schon gar nicht den Appetit. Ein wenig eingeschränkt wurden wir bei der Auswahl, weil wir als mittlerweile routinierte Gourmetmeilen-Hopper eine ganze Reihe der Gerichte schon aus den Vorjahren kannten, etwa das „Schnitzel von der französischen Entenleber“ bei Gummersbach, das „Wiener Kalbsschnitzel“ bei der Alten Metzgerei oder den „Oktopus vom Grill“ beim Walkmühlen-Restaurant. Dennoch stellten wir uns eine schönes Menü zusammen, nicht allzu umfangreich, aber so, dass wir es ohne Anstrengung schaffen konnten.

Kulinarischer Treff an der Ruhr
Mülheim, 18.7.2025


Gummersbach
In den Gläsern befinden sich der alkoholfreie Saft „PLOPP“ von der Merlot-Traube (rot) und ein Souvignier Gris (weiß), beides vom badischen Weingut Höfflin. Der Souvignier Gris ist ein sog. Piwi-Wein, eine gelungene Neuzüchtung, die mit den Folgen des Klimawandels besonders gut zurecht kommt.



Gummersbach
Kokos-Zitronengras-Suppe, Pak Choi, Mango (vegetarisch, 8 Euro)
Was sich so harmlos auf der Karte las, entpuppte sich als 'chön 'charfer Einstieg in unser Menü.



Gummersbach
Jakobsmuschel, Tomate, Aprikose, Chorizo (14 Euro)
Es ist erstaunlich, wie variantenreich das Restaurant Gummersbach alljährlich ein Jakobsmuschel-Gericht auf die Gourmetmeilen bringt. In diesem Fall brachten die Tomaten und Aprikosen Säure und Fruchtigkeit an das zarte, eher zurückhaltend gewürzte Muschelfleisch.



Spices 1822
Hasselback-Kartoffeln mit Chorizo und Tzatzikisauce, eingelegte Schalotten (8 Euro)
Das hübsche Gericht bestach in erster Linie durch die würzigen Beilagen zu den Kartoffeln, die sehr zurückhhaltend gesalzen waren.



Spices 1822
Linguine mit Ziegenkäse, Rucola-Chips, Pflaumen und einem Hauch von Kaffee (vegetarisch, 14 Euro)
Ich hätte nicht gedacht, dass mich ein Nudelgericht noch überraschen könnte, aber die Trockenpflaumen in Kombination mit dem Kaffearoma gaben dem ganzen einen schönen Schuss Umami-Aroma. Und der frittierte Rucola sorgte für den nötigen Crunch.



La Turka by Seda
Surf & Turf
Carpaccio vom US Black Angus Rinderfilet, Black Tiger Garnele, getrüffelte Parmesan-Nudeln (19 Euro)
Eine Variante des eigenwilligen Surf & Turf vom letzten Jahr. Diesmal gehörten noch getrüffelte Parmesan-Nudeln zum Gericht. Die Linguine waren schön gekocht, garten aber durch ihre Wärme das hauchdünn aufgeschnittene Carpaccio unfreiwillig durch. Die Garnelen waren schön knackig.



Walkmühlen-Restaurant
Cannoli Siciliani
Knusprige Teigröllchen mit Ricottafüllung, Pistazien und Schokoflocken (5 Euro)
Leider fehlte den recht dickwandigen Teigröllchen die dieser sizilianischen Spezialität eigene Leichtigkeit.



Walkmühlen-Restaurant
Zelt „Ukraine“
Die Betreiberfamilie Sirik des Walkmühlen-Restaurants stammt aus der Ukraine. Der Erlös des Zeltes geht als humanitäre Unterstützung dorthin.
Mlynzi
Crepes mit Mohn, Kirschen und Schmand (7 Euro)
Eine kräftige ukarainische Dessert-Spezialität.



Und zum Abschluss ein Espresso bei der „Bar in Motion“

Der kulinarische Treff an der Ruhr geht noch bis Sonntag, 20.7.2025. Mülheim, Ruhranlagen. Alle Infos hier.

Mittwoch, 9. Juli 2025

Landpartie mit dem Dortmunder Restaurant „Labsal“. Auf einer Hühnerwiese in Herdecke.

Die überwältigendste Darstellung einer Landpartie, die ich kenne, befindet sich in Luchino Viscontis Verfilmung des Mitte des 19. Jahrhunderts spielenden Romans „Der Leopard“ von Giuseppe Tomasi di Lampedusa, wenn die komplette Familie des sizilianischen Aristokraten Don Fabrizio zur monumentalen Filmmusik von Nino Rota in ihrer Karosse bei flirrender Hitze durch die gelb-glühenden Weizenfelder der Mittelmeerinsel in die Sommerfrische fährt. Vielleicht sind solche Assoziationen ja ein Grund, weshalb man als Slow-Food-Romantiker glaubt, Erfahrungen von regionaler Küche in erhabener Form könne man nur woanders erleben, nur nicht in der kulinarischen Diaspora, wie sie das Ruhrgebiet nun einmal ist. Doch auch hier gilt das ewige Goethe-Wort: „Warum denn in die Ferne schweifen, sieh, das Gute liegt so nah.“

Zugegeben, blau war der Himmel über der Hühnerwiese in Herdecke nur bei der ersten Ausgabe der Landpartie des Dortmunder Restaurants „Labsal“ vor zwei Wochen. Beim zweiten Termin letzten Sonntag, den ich besuchen konnte, war der Himmel grau, es regnete z.T. heftig, und manchmal pfiff der Wind über die Höhen des Ardeygebirges, wie man es sonst nur aus dem Westerwald kennt. Und trotzdem war die ganze Sache ein Ereignis, wie ich es mir in meiner Eigenschaft als genussbereiter Genießer nicht schöner wünschen konnte.



Jessica Pahl



Florian Kohl

Schon seit 2017 betreiben Jessica Pahl und Florian Kohl das „Labsal“ in Dortmund an der Rheinischen Straße, und eigentlich hätte ich das Restaurant als überzeugter Freund des Regionalen schon längst einmal besuchen sollen – zumal ich durch die Beiträge in der Facebook-Gruppe „Mein kulinarisches Dortmund“ schon oft darauf hingewiesen wurde. Aber wahrscheinlich irritierte mich, dass man sich im „Labsal“ der schwäbischen Küche hingibt und nicht der westfälischen oder der Ruhrgebietsküche – das kommt davon, wenn man in Schubladen denkt. Zumal „regional“ für Jessica und Florian vor allen Dingen auch bedeutet, dass sie für ihre Gerichte Zutaten und Produkte von regionalen Produzenten verwenden – für Gastronomen, die logistisch und wirtschaftlich scharf kalkulieren müssen, eine Herausforderung, die nur mit Engagement und Leidenschaft zu meistern ist.



Benjamin und Luise Bernhardt
und ihre glücklichen Hühner




Eier und Geflügel sowie Wild beziehen sie von Benjamin und Luise Bernhardt, die in Herdecke unter dem schönen Firmennamen „Bernhardt & Söhne“ eine Hühnerfarm betreiben. Wobei man sich darunter keineswegs endlose Legebatterien vorstellen muss, sondern eine Art Almwiese am Rand der zivilisierten Welt im Hochland zwischen dem Wittener Schnee und Herdecke. Hier stehen ein paar an Bauwagen erinnernde mobile Hühnerställe, in denen ein aus verschiedensten Rassen buntgemischtes Hühnervolk wie eine geflügelte Hippiekommune haust. Ein glücklicheres Leben als hier kann kein Huhn haben. Die Tiere haben auf der großen Weide so viel Auslauf, wie es in der edlen französischen AOP Bresse nicht besser vorgeschrieben sein kann. Sie können nach Herzenslust scharren und Sandbäder nehmen, ihre Hackordnung ausfechten und sich an allerlei Insekten als natürliche Protein-Spender gütlich tun.


Grauer Himmel - gute Stimmung

Und diese Hühnerwiese war der der Austragungsort der Landpartie des „Labsal“. Zwei Partyzelte waren aufgebaut. Eines war mit Bierzeltgarnituren ausgestattet, die durchaus mit einer gewissen Eleganz eingedeckt waren, und bot den 30 Gästen kuscheligen Schutz vor den Regengüssen. Das andere wurde als Feldküche genutzt. Strom zum Betrieb eines Herdes gab es nicht. Wie für ein Picknick üblich, waren eine Reihe von kalten Gängen vorbereitet mitgebracht worden, für den warmen Teil der Mahlzeit sorgte ein Schwenkgrill, auf dem Fleisch und Gemüse gegart und mit Röstaromen versehen wurde.


Der Grill für den warmen Teil der Mahlzeit

Das Menü war dann gar nicht so schwäbisch, wie man annehmen sollte, sondern sogar richtige Ruhrgebietsküche. Dafür sorgte schon die Zubereitung auf dem Grill. Fast wollte ich glauben, man hätte sich an den Gastküchen orientiert, die ich einmal als Säulen der Ruhrgebietsküche in diesem Blog postuliert hatte (klick hier): Es gab polnische, türkische und italienische Gerichte, aber auch spanische und sogar australische Einflüsse waren spürbar. Und die Zutaten waren natürlich alle von hier. Eier, Geflügel und das Wildfleisch für die Bratwürste stammten von den Bernhardts, Gemüse vom Biohof Woeste in Lüdenscheid, Milch von Hof Sackern in Witten und Brot von der Naturbäckerei Kreis in Dortmund und aus dem eigenen Backofen des „Labsal“. Und nicht zu vergessen ist, dass fast der gesamte wohlsortierte Weinkeller des Restaurants herangekarrt worden war. 


Im Glas ein Südtiroler: Misto Mare von Lageder


Da lacht der Genießer

Fast sechs Stunden dauerte das Gelage auf der Hühnerwiese. Trotz oder vielleicht wegen des Regens wurde es im Zelt richtig gemütlich. Vor allem aber auch, weil die Gänge als „Sharing Menü“ serviert wurden, d.h. auf Platten, von denen sich jeweils vier Leute ihre Portion nehmen konnten. So rückte man zusammen und kam ins Gespräch mit netten und erstaunlich gut informierten Leuten. Und der Genießer vergaß dabei glatt, dass er als mittlerweile in die Jahre gekommener arthrosegeplagter, zwei Meter großer Zwei-Zentner-Mann die niedrigen unbequemen Bierzelt-Garnituren eigentlich als Sitzgelegenheit zum Teufel wünschen wollte.



Landpartie auf der Hühnerwiese
Sharing Menü vom Labsal
6. Juli 2025, 75 Euro





Chłodnik Litewski

Die polnisch-litauische Rote-Bete-Suppe, auch Kalter Borschtsch genannt, war ein erdig süßer, aromatischer Einstieg und sehr erfrischend – trotz des kühlen Regenwetters.




Gefüllte Eier
Der Klassiker der deutsch-osteuropäischen Oma-Küche war mit den aromastarken Eiern des Hühnerhofes ein Gedicht. Hartgekocht, wurde das Eigelb gehackt und, ich nehme an, mit Rahm vermischt wieder in das Eiweiß gefüllt. Oben drauf etwas Forellenkaviar – köstlich!



Zucchini Carpaccio





Zwiebelgewächse & Romescosauce
Die gegrillten Lauchzwiebeln verbanden pikante Süße mit Röstaromen, das Lauch selbst wurde durch das Grillen etwas strohig. Verführerisch die Romescosauce, eine katalanische Spezialität. Sie wird u.a. aus Tomaten , Paprika, Knoblauch und Mandeln zubereitet und ähnelte dem sizilianischen Pesto trapanese.



Gegrillte Pfirsiche & Burrata
Ein herrliches Sommergericht, das bei Sonnenschein noch besser geschmeckt hätte. Die Pfirsiche hätten etwas reifer sein können.



Pulpotacos
Was für ein Zufall: Letzten Samstag konnte ich im Duisburger „Laufhaus“ einen „Pulpodog“ essen, also Pulpo im Hotdog-Brötchen (klick hier). Hier gab es Pulpo im Taco, aber nicht in ganzen Tentakeln, sondern als eine Art Ragout, versteckt unter einem Koriander-Petersilen-Pesto.



Adana-Spieß & Labneh
Türkisches Streetfood vom Feinsten: Gegrillte Lammhack-Spieße. Dazu als Dip Labneh, abgetropfter quarkähnlicher Joghurt.



Bratwurst vom Sika Hirschkalb

Sika ist eine kleine, aus Ostasien stammende Hirschart, die auch in Deutschland gehalten wird. Die köstlichen Würstchen waren hausgemacht, das Fleisch stammte aus der eigenen Jagd von Benjamin Bernhardt.



Wiesenhähnchen
Was für ein Hähnchenfleisch! Einfach nur gegrillt ein wahrer Hochgenuss, saftig und aromatisch.



Panzanella
Als Beilage gab es den klassischen Brot-Tomaten-Salat aus der Toskana.



Pavlova mit frischen Beeren
Sabayone, Gegrillte Ananas & Popcorn

Drei Spezialitäten zum Dessert. Die Baiser-Torte Pavlova ist eine australisch-neuseeländische Spezialität, die nach einer russischen Tänzerin benannt wurde.



Zum guten Schluss
Darauf einen Eierlikör. Natürlich von hauseigenen Eiern.

Labsal. Rheinische Straße 12, 44137 Dortmund. Tel. 0231. 13 75 88 52. Di-Fr 17-22 Uhr, Sa 12-14.30 und 17-22 Uhr. labsal-dortmund.de
Bernhardt & Söhne. Kontakt auf Instagram